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Millarden Euro Gewinne für die einen, enorme Kosten für die anderen

Fußball-Europameisterschaft 2008

Freitag 29. Februar 2008, von Josef Iraschko - Bezirksrat für KPÖ LINKS, Wien anders und PolDi

Für die UEFA und die Hauptsponsoren: Millarden Gewinne
Für uns Wienerinnen und Wiener: enorme Kosten und einen: Juni des Grauens

Gebührenerhöhungen – auch eine Auswirkung der EM 2008

Natürlich geben es Politik, Wirtschaft und Medien nicht zu, aber die enormen Verteuerungen der letzten Monate in Wien, vor allem der Gebühren und Tarife für öffentliche Versorgungsleistungen, sind Vor- und Auswirkungen der Fußball-EM 2008. Die ungeheuren Belastungen für das Stadtbudget sollen schon im Vorfeld auf die BürgerInnen überwälzt werden. Die Opposition aus ÖVP und FPÖ spielt sich als Hüter der Bevölkerungsinteressen auf, in Wirklichkeit sehen sie mit Ärger den Verteuerungscoup der SPÖ als den kaum erfolgreichen Versuch, die budgetären Folgen der EM 2008 ordentlich verschleiern zu können und das Stadtbudget nicht allzu sichtbar aus dem Ruder laufen zu lassen. Damit verlieren ÖVP und FPÖ aber eine politische Profilierungsmöglichkeit, sobald nach der EM das wirkliche finanzielle Chaos bei den Stadtfinanzen offenbar wird. Was Gebühren und Tarife, was Einschränkungen im sozialen, kulturellen, gesundheits- und bildungspolitischen Bereich anbelangt, werden wir noch sehr lange für die EM 2008 zahlen müssen. In diesem Punkt wird es tatsächlich die versprochene Nachhaltigkeit geben.

"Umwegrentabilität"

Der Begriff ”Umwegrentabilität" spielt zur Beruhigung der BürgerInnen eine zentrale Rolle, um die massive Umverteilung von Steuermitteln vom Sozialbereich zu den eigentlichen Profiteuren der EM 2008 zu verschleiern. Was will und soll uns dieser Begriff eigentlich einreden? Alle ökologischen, verkehrstechnischen, preislichen, zwischenmenschlichen, sicherheitstechnischen, sozialen, arbeitsrechtlichen und vor allem demokratiepolitisch bedenklichen Einschränkungen ergeben Sinn, weil die Stadt, die Wirtschaft - wobei unterstellt wird, das seien wir doch alle - davon extrem profitieren werden. Die schweizer Zeitung "WoZ" berichtet von unglaublichen Schikanen gegen Wirte: "In Basel wurden die WirtInnen in der offiziellen Fanzone am Rheinufer von der Uefa vor die Wahl gestellt: den Betrieb an die Uefa verpachten, den Betrieb mit Uefa-lizenzierten Produkten bestücken (bei einer täglichen Lizenzgebühr im vierstelligen Bereich) oder den Betrieb mit Zaun von der Fanzone abtrennen. Bei aller Sprachlosigkeit ob so viel Arroganz: Die Uefa stützt sich dabei auf gültige Verträge, unterschrieben von Schweizer Behörden". Man wird doch für 3-4 Wochen diese Einschränkungen in Kauf nehmen können! So schafft die EM 2008 neben dem zumeist nur am Rande erwähnten sportlichen Ereignis angeblich 10.000 Dauerarbeitsplätze, bis zu 1,000.000 Fans lassen genug Geld in der Stadt, und die europa- und weltweite mediale Berichterstattung lockt nachhaltig gut betuchte TouristInnen.

Hin und wieder liest man in kleinen Randnotizen einige Wahrheiten:

So hat eine schweizer Untersuchung festgestellt, dass der öffentlichen Hand durch die EM 2008 300 Millionen Franken an Kosten entstehen, davon allein 80 Millionen für die sogenannte Sicherheit (eine verharmlosende Chiffre für die bürgerkriegsartige Aufrüstung der Polizei). Dem gegenüber steht der von der UEFA selbst kalkulierte Gewinn von einer runden Milliarde Franken. Diese Rechnung lässt sich auf Österreich umlegen. Ungefähr 600.000 Fußballfans lockte 2004 die EM nach Portugal. Analysten haben errechnet, dass im unmittelbaren Zusammenhang mit der EM 2004 das BIP um ganze 0,08 % angestiegen ist. Die WM 2006 in Deutschland, um einige Dimensionen größer, brachte nicht einmal dieses Ergebnis. Dessen ungeachtet wird ausgestreut, dass es bei uns ein BIP-Wachstum von mindestens 1,15% wegen der EM geben wird. An diese Märchen glauben doch nicht einmal jene, die sie fortwährend verbreiten!

Selbst wenn diese utopischen Annahmen stimmen würden, stellt sich doch die Frage, wer denn wirklich profitiert: die meisten Hotelketten in Wien sind in der Hand internationaler Konzerne, die UEFA kassiert bei jedem einzelnen Getränk mit und die involvierten Stände dürfen nur Carlsberg-Bier – also keines aus östereichischen Brauereien - um horrende € 4,50 ausschenken. Die großen Handelsketten zahlen aufgrund des Steuersystems kaum Steuern bei uns und hoffen natürlich, ordentliche Umsatzsteigerungen erzielen zu können. Die Betonwirtschaft hat mit dem Neubau und mit Sanierungen der Sportstätten bereits ordentlich - aus öffentlichen Geldern - abgecasht. Unsere PolitkerInnen werden sich auf unsere Kosten im Lichte der Medien zu profilieren wissen und sich für die bereits herbeigeschriebenen Neuwahlen so günstig wie möglich zu positionieren versuchen.

Die Umverteilung von unten nach oben ist somit perfekt. Nicht die Fußballer, die modernen, gut bezahlten Galdiatoren unserer Zeit, stehen in Mittelpunkt. Die tatsächlichen Akteure sind völlig nebensächlich. Sie, die Stadt und die Fans werden, eingepfercht in weideähnlichen Sicherheitsställen (sogenannte "Fanzonen"), für eine hirn- und gesichtslose Werbeveranstaltung missbraucht, die nur ein Ziel kennt: grenzenloser Umsatz, grenzenloser Profit für die Einen, und ebenso grenzenlose/nachhaltige Kosten und Verluste für Stadt und das Land. Nicht die Stadt wird beworben sonden die Produkte der Haupt- und Nebensponsoren.

Umweltschäden sind die Folge

Wir wissen um den Skandal der Baumfällungen rund um das Stadion. Die UEFA ordnet an und die Wiener Stadtpolitik übt sich in vorauseilendem Gehorsam. Aber das wird nicht alles sein: der grüne Prater wird zu einer einzigen Latrine umfunktioniert werden. Das kann nicht einmal dann verhindert werden, wenn hinter jedem Baum und Strauch ein Polizist steht. In Berlin musste nach der WM 2006 der Boden des riesigen Tiergarten beidseitig der Strasse des 17. Juni vollständig erneuert werden. Diese Folgekosten für solche Maßnahmen in Wien wird sicherlich nicht die UEFA bzw. Carlsberg oder Coca Cola etc. tragen.

Das Gerede von der Sicherheit

Unter dem Vorwand von Randalen, die zusätzlich auch noch durch äußerst restriktive polizeiliche Maßnahmen und aufhetzende mediale Berichterstattung sehr bewusst provoziert werden, gab es im Vorfeld eine ungeheure Aufrüstungswelle für die Polizei. Bürgerkriegsähnliche Zustände werden heraufbeschworen, um einen Großteil demokratischer Rechte im EM-Zeitraum auszusetzen. Das Stadionbad im Prater wird bis Mitte Juli geschlossen bleiben, es dient als Haupt- und Übungsquartier für Polizei, Rettung und Feuerwehr. Den dort untergebrachten Einsatzleuten ist der Erholungsraum im Stadionbad durchaus gegönnt, aber wohin soll die städtische Bevölkerung, die dieses Bad normalerweise nutzt? Die Anrainerbevölkerung wird 4 Wochen lang nicht nur penetranten Lärm und Gestank ertragen müssen, sie wird durch alle möglichen polizeilichen Schikanen und Kontrollen mit Mühe zu ihren Wohnorten kommen. Werden wir es vielleicht noch erleben, dass sie mittels Postwurfsendung oder Häuseranschlag aufgefordert werden, jederzeit nachweisen zu müssen, dass sie tatsächlich in der umlegenden Wohngegend auch zu Hause sind?

Demokratie wird ausgehebelt

Je weniger demokratische Legitimation, desto mehr sicherheitspolitische Ausformung. Man stelle sich vor, der Bewerbung für die EURO 2008 wäre eine Volksbefragung vorausgegangen. Die Betreiber (Regierung, Unternehmen, etc.) hätten also einen Auftrag vom sonst so gerne zitierten Souverän – dem "mündigen Bürger" – bekommen, sie hätten sich eine Menge an PR-Kosten erspart. Dass aber eine in keiner Weise legitimierte Institution wie die UEFA bestimmt - und zwar über alle Instanzen einer demokratisch gewählten Regierung hinweg – wie was zu geschehen hat, sich also in einem völlig entdemokratisierten Raum bewegt, und sämtliche gewählten Strukturen und Personen das alles mit sich geschehen lassen, das ist über Medienmacht vermittelter Neoliberalismus pur. Warum das Volk gar nicht befragt wurde, scheint vom Standpunkt der Verantwortlichen leicht erklärbar: wenn die Fakten, vor allem die Beeinträchtigung und Kosten auf den Tisch gelegt worden wären, sie hätten keine Zustimmung bekommen. Jetzt muss die erzwungene stillschweigende Legitimation durch eine unerträgliche Werbekampagne herbeigetrommelt werden. Am ekelhaftesten aber ist die an Gehirnwäsche grenzende Gleichschaltung der Medien zu einer einzigen Promotions- und Jubelinstitution.

Fußball ja – Abzockerei nein!

Wir, die wir uns die teuren Karten für einen Stadionbesuch ohnehin nicht leisten können, werden, so wir überhaupt interessiert sind und von dem monatelangen Werbegetrommel nicht völlig abgeschreckt sind, hoffentlich bei einem kühlen österreichischen Bier oder Wein in unseren Wohnräumen sitzen können und – Fanmeile hin, Fanmeile her – uns in Ruhe die Spiele via Fernsehen anschauen können. Ein guter Teil der Bevölkerung ist angesichts der unglaublichen Konsumpreise während der EM aufgrund seines Einkommens bereits von der Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen ausgeschlossen. Man muss sie fast beglückwünschen. Viele Menschen haben vor, die Stadt im Juni in Richtung Urlaub zu verlassen. Und für diejenigen, die sich das Spektakel in vollem Umfang geben wollen, möchte ich fast schon die Garantie abgeben, dass sie danach als geheilt - zumindest aber um viel Geld erleichtert - entlassen werden können. Die unerträgliche Abzockerei, die Sicherheitsschikanen und die eigentliche Nebensächlichkeit des Fußballsports müssen spätestens nach Wegfall des euphorischen Trancezustandes zu einiger Ernüchterung führen.


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