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Wie aus einem (T)Raum Realität wird

Das WERKL IM GOETHEHOF

Mittwoch 17. April 2013, von Doris Nußbaumer

Magische Augenblicke tendieren dazu, ihre Unheimlichkeit und Tragweite erst rückblickend zu erkennen zu geben. Als ich am 1. Mai 2012 am Ring Doris Schlager nach längerer Zeit zufällig wieder begegnete und sie mir begeistert von ihrem neuen Kulturprojekt in Kaisermühlen erzählte, konnte ich mir durchaus vorstellen, einmal „bei einem Treffen vorbeizuschauen und eventuell auch etwas Literarisches einzubringen“. Dass ich mich wenige Monate später als Kulturarbeiterin und Vereins-Mitgründerin wiederfinden würde, wussten mir weder die pralle Frühlingssonne noch das wehende Fahnenrot auch nur anzudeuten.

Von der Idee zur Verwirklichung...

Unter der wenig attraktiven Patina von herausgefetzten, spazierenhängenden Elektrokabeln und sehr vielen entsorgungsbedürftigen Gegenständen erkannte ich mühelos „ach das nette Beiserle drübert der Donau, da war ich doch schon zu einer Lesung von El Awadalla, na wie hats damals gheißen, Kaisermühlner Werkl oder so“.

Techniksanierung, Entrümpelung, Reinigung bedurften eines selbstausbeuterisch eifrigen Teams sowie auch der finanziellen Unterstützung der KPÖ. Die Teamfindung brauchte seine Zeit und konnte, wie überall außerhalb einer pastellfarbenen Idylle, weder friktionsfrei noch ohne manchen personellen Wechsel stattfinden – klar gesagt, wir mussten uns zsammraufen. Zeit und viele Diskussionen benötigten wir auch, um zu wissen wie wir heißen, wer wir sein, wofür wir konkret stehen und was genau wir tun wollen.

Schließlich benannten wir sowohl den Ort als auch den zu gründenden Verein „WERKL IM GOETHEHOF – selbstverwaltete kulturelle Freiräume“ und formulierten unsere Leitgedanken: wir denken, diskutieren und schaffen als parteifreier und politisch links stehender Kulturverein in den Räumlichkeiten der KP in Donaustadt, praktizieren emanzipatorische Kulturarbeit und bauen auf vier Basissäulen des Konsenses: rassismusfreie und konsumzwangfreie Zone, basissolidarische Zusammenarbeit und feministische Grundhaltung. Emanzipatorisch verstehen wir im grundsätzlichen Wortsinn als „sich selbst aus Herrschaftsverhältnissen befreiend“ und, bezogen auf die Kulturarbeit: in emanzipatorisch-feministischem Kontext laden wir ein breites Spektrum von Kulturschaffenden ein, kreativ tätig zu sein. Der Wegfall von Konsumverpflichtungen ermöglicht auch Menschen mit geringem Einkommen die Teilnahme am kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Leben. Das Verständnis von Kulturschaffen als emanzipatorischen Akt an sich soll den passiven Kulturgenuss lustvoll und sinnstiftend ergänzen. Die Schwerpunktsetzung auf gesellschaftskritische, widerständige Themen ermöglicht der Kunst, neben dem reinen Unterhaltungswert ihr gesellschaftliches Entwicklungspotential auszuschöpfen.

Es gibt viel zu tun...

Blenden wir nun zurück auf einen stressigen Herbst und einen arbeitsintensiven Winter 2012 im neuen WERKL? Nein! Loben wir einander und befreundete KünstlerInnen lieber für die zügige Etablierung eines kontinuierlichen Kulturprogramms!

Gerald Grassl gestaltet jeden ersten Donnerstag im Monat den literarischen Abend „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ sowohl mit Neuerscheinungen als auch mit Texten beinahe vergessener SchriftstellerInnen. Wir sind stolz, dass das Augustin-11%K-Theater ihr Stück „Kellerbekanntschaften mit Dachschaden“ mehrmals bei uns aufführte, dass die Graphikerin Yoly Maurer ihre Kunstbuchedition „52 Wochen und ein Tag“ im WERKL präsentierte und, dass das 1. Wiener Lesetheater ein fünfstimmiges Haiku-Lesekonzert auf unserer Bühne vortrug. Der Dokumentarfilm „Frauenleben“ bot intensive Einblicke in die Biographien politisch links sozialisierter Frauen der Nachkriegszeit, Heinz Fischers Lesung brachte uns Heinrich Heines luzide Satiren nahe, die Ausstellung von Gabriele Schatzls Photoarbeiten zu Texten von Gerda Pogoda eröffnete Perspektiven in die Vielschichtigkeit möglicher Realitäten. Das WERKL durfte die Präsentation der Literaturzeitschrift „Wienzeile“ genießen, sowie die Vorstellung der Anthologie „Frauen texten, Frauen lesen“ (Globus-Verlag, Linkes Wort am Volksstimmefest 2010) mit anschließender Podiumsdiskussion beherbergen.

Und die Zukunft?

Sie steht bereits im Raum, fordert weiter schweißtreibendes Brotbacken und zeigt uns schon die Rosen. Noch mehr Literatur- und Kleintheaterevents sind in Planung, Prince Mirza leitet die von ihm neu etablierte Theatergruppe des WERKLS, die Musikschiene soll und wird wieder aufgebaut werden. Weitere Kulturformen wie spartenübergreifende Performances, Schreibwerkstätten, Vortragsreihen und politische Veranstaltungen verlangen geradezu danach, bei uns stattzufinden.

Selbstverständlich lebt ein konkretisiertes und inzwischen gut fundamentiertes (T)Raum-Projekt vom funktionierenden Team und den Personen, die dazu beitragen möchten. Sei es, dass ihr mitarbeiten, Werbung machen, Kontakte herstellen, als KünstlerIn oder in der Rolle des Publikums im WERKL leben, sprechen und euch wohlfühlen wollt:
Ihr seid herzlich und solidarisch eingeladen.


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