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Aus für den Wiener Gemeindebau

Über den Tellerrand II

Montag 3. Dezember 2007, von Doris Schlager

Von der Öffentlichkeit unbemerkt ist in Wien eine Ära zu Ende gegangen: Die Stadt stellt den Bau von Gemeindewohnungen ein. Wie einer Meldung des Standard vom 21. November 2007 zu entnehmen war, ist der letzte Gemeindebau 2004 in Liesing fertiggestellt worden, weitere sind nicht mehr geplant. Das Argument, der 1995 eingeführte Bauträgerwettbewerb führe zu geringeren Errichtungskosten, wird die verhinderten Gemeindebaumieterinnen nicht wirklich trösten. Aus ihrer Sicht sind weniger die Errichtungskosten wichtig als die Miete, die sie zu bezahlen haben.

Ungeachtet der Tatsache, dass momentan 20.000 Menschen auf eine Gemeindewohnung warten, verabschiedet sich die Gemeinde Wien vom gemeindeeigenen sozialen Wohnbau. Dabei würden noch viel mehr Menschen eine Gemeindewohnung haben wollen. Ist es doch angesichts der Vergabekriterien nicht so einfach auf die Warteliste zu kommen, wie ein Artikel aus dem Augustin beweist. Für Singles (immerhin 46% aller Haushalte in Wien), die nicht in Wien aufgewachsen sind, nahezu unmöglich. Entweder sie haben eine Wohnung, dann kommen sie nicht auf die Liste, weil sie keinen Wohnungsbedarf haben, oder sie sind obdachlos und kommen - Sie haben es erraten - deshalb nicht auf die Liste.

"Wenn wir einst nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen"

Nichts versinnbildlicht mehr als dieses Zitat des ehemaligen Wiener Bürgermeister Karl Seitz, wie der Gemeindebau untrennbarer Bestandteil des Mythos um das "Rote Wien" ist. Dabei war der kommunale Wohnbau in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ursprünglich die erzwungene Antwort auf die Tatsache, dass das Kapital infolge des von den ArbeiterInnen erzwungenen Mieterschutzes den Wohnungsbau komplett einstellte. Die Mieterschutzverordnungen von 1917/18 und das Mietengesetz 1922 führte zunächst einmal zu einer unbeschreiblichen Verschärfung der Wohnungsnot.

Mit der Erkenntnis Otto Bauers, dass nun mal nicht beides zu haben sei, Mieterschutz und privater Wohnungsbau, machten die Sozialisten aus der Not eine Tugend. Sie nutzten die kurz davor erreichte Steuerhoheit von Wien um mit der sogenannten "Breitnersteuer", die vor allem das begüterte Bürgertum traf, einen beispiellosen kommunalen Wohnugsbau zu finanzieren. Es wurden in den Jahren von 1923 bis 1934 über 65.000 Wohnungen für fast 220.000 ArbeiterInnen gebaut. Die monumentalen Bauten, teilweise bewusst in Bürgerbezirke gesetzt, prägen noch heute das Stadtbild Wiens. Mit Strom und Wasser ausgestattet, Spiel- und Grünanlagen, Waschküchen, Gemeinschaftsküchen und Bibliotheken, wird der Grund dafür gelegt, Wien zum größten Hauseigentümer zu machen.

Obwohl mit der Machtübernahme der Austrofaschisten der kommunale Wohnungsbau zum Erliegen kommt, übersteht der Mieterschutz (Friedenszins) den Faschismus. Erst 1968 kommt es in Wien zur Freigabe der Mietzinsbindung. Trotzdem explodieren die Mieten nicht sofort. Teilweise weil der Preisdruck durch die Gemeindebauten auch auf die Privaten groß ist, teilweise durch typisch österreichische sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen. Die Renditemöglichkeiten steigen nur langsam. Freifinanzierter privater Wohnungsbau findet eigentlich nur im hochpreisigen Segment statt. ArbeiterInnenwohnungen werden, wie schon vor dem Krieg, alleine von der öffentlichen Hand gebaut, diesmal aus den Mitteln der Wohnbauförderung finanziert. Neben dem Gemeindebau werden auch Genossenschaftswohnungen gebaut.

Wie man den Mieterschutz wieder einführt und gleich wieder abschafft

Sozusagen ein Lehrstück österreichischer Politik ist 1982 die Einführung des Kategoriemietzinses. Während die Sozialpartnerschaft schon aus dem letzten Loch pfeifft, werden die Einstiegskosten auch im Gemeindebau immer höher, die Vergabekriterien dafür aber nicht objektiver. Je attraktiver die neuen Gemeindebauten für den Mittelstand werden, desto mehr wird auch an dessen Bedürfnissen orientiert. Der "soziale" Wohnbau verkommt zur Mittelstandsförderung. Der Preisdruck für die Privaten lässt nach, die Mieten steigen.

Einerseits soll den nun doch langsam steigenden Mieten Einhalt geboten werden, andererseits will man aber doch wieder den privaten Wohnungsbau auf die Beine helfen. Das dies eine "Widerspruch in sich" ist, sollte auch gestandenen SozialdemokratInnen eigentlich klar sein. Kaum eingeführt, werden die Kategorie-A Wohnungen 1986 wieder freigegeben. Und siehe da es gelingt, seit 1986 bauen die Privaten wieder. Otto Bauer, wer war das noch einmal?

Die Besen, die man rief, die wird man aber jetzt nicht wieder los. Jetzt blasen sie zum Hallali auf den Mieterschutz. Mieterschutz bedeute keine Rendite und kein privater Wohnungsbau, so die nicht ganz unlogische Argumentation. 1994 gibt man nach, der Richtwertmietzins und die Befristungen werden eingeführt. Das war es dann mit dem Mieterschutz. Otto wer?

In den 90er Jahren baut die Gemeinde Wien noch einige prestigeträchtige Objekte, modern, autofrei, frauenfreundlich und - teuer. Gleichzeitig wird Wiener Wohnen ausgegliedert, der demokratischen Kontrolle des Gemeinderates entzogen und muss nun "wirtschaftlich" arbeiten. Bauträgerwettbewerbe werden ausgeschrieben. Kann es doch nicht angehen, dass man nur die Genossenschaften fördert. Nein, wenn die Privaten doch billiger bauen können, dann fördert man auch die. So nebenbei stellt man fest, die Gemeinde Wien baut teuer. Bei Wiener Wohnen verschwindet der Neubau von Gemeindewohnungen sang- und klanglos aus dem Aufgabenkatalog. jetzt wird nur noch saniert. 2004 wird der letzte Gemeindebau errichtet. Es fällt eh keinem mehr auf.

Ach ja, die Vergabekriterien werden in den 90er Jahren auch objektiviert. Um auf die Warteliste für eine Gemeindewohnung zu kommen, muss man einerseits eine Wohnung haben (Grundvoraussetzung 2 Jahre Meldung). Andererseits muss man einen Wohnungsbedarf haben. Drohende Obdachlosigkeit ist nur ein Grund, wenn man sie nicht selbst verschuldet hat. Einen befristeten Vertrag zu unterschreiben, bitte schön ist aber schon schuldhaft. Wer es nicht glaubt, werfe einen Blick auf die Wiener Homepage
Obdachlosen Menschen bleibt nur übrig, den Weg über eine betreute Wohnungsstelle zu gehen, ob sie Betreuung brauchen oder nicht. Der Beschreibung im Augustin-Artikel ist eigentlich nur hinzuzufügen, dass selbst Menschen mit einer ganz kurzen Obdachlosigkeit dieser "Betreuung" nicht entgehen, sie ist dann halt nur ein wenig kürzer.

Die "objektiven" Vergabekriterien sind eigentlich nicht neu, aber vielleicht hilft das richtige Parteibuch und Vitamin B ja wirklich nichts mehr.


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