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Gemeindebau Vivariumstraße 6-10

"Wiener Wohnen" außer Kontrolle

Dienstag 1. Juni 2010, von Doris Schlager, Gerald Grassl

Alltag im Gemeindebau: Hämmern und Bohren den ganzen Tag lang. Zermürbend. Wieder wird – wie so oft – irgendetwas "saniert". Und wenn IM Haus keine neuen Bastelarbeiten anfallen, wird draußen gemalt oder am Dach repariert. Wer kann kontrollieren, ob DAS ALLES auch wirklich notwendig ist, was dann jeden Monat ziemlich teuer als "Betriebskosten" zu bezahlen ist?

Kurios wird es aber, wenn ohnedies eine "Generalsanierung" des gesamten Baus mit ca. 400 Wohnungen im Herbst beginnen soll. Über 10 Millionen Euro wird das kosten. Für etwa eineinhalb Jahre werden wir in einer Baustelle leben. Ein kleiner Teil dieses Betrages wird aus diversen (im Verhältnis KLEINEN) Förderungen beglichen, was nun zu einer nahezu Verdoppelung der Mieten führen wird.

Man stelle sich vor, dass Grundnahrungsmittel von heute auf morgen beispielsweise um 10 Prozent verteuert werden würden. Hier steigen die Kosten für das Wohnen fast um 100 Prozent! Und das vor dem Hintergrund, dass "Wiener Wohnen" TÄGLICH 3 bis 5 Leute delogiert.
Gemeindewohnungen sind zwar vergleichsweise noch immer günstiger als jene am "freien Markt", gleichen sich aber zunehmend den Mieten der normalen Hausbesitzer an. Zwar gibt es immerhin noch die Möglichkeit, Mietbeihilfen zu bekommen, doch auch für die meisten Sozialhilfe- oder Notstandshilfebezieher kommt das nicht in Frage, weil diese Hilfe so berechnet ist, dass die meisten knapp mehr Einkommen haben (und trotzdem an oder auch unter der Armutsgrenze leben), um sie in Anspruch nehmen zu können. Oder die Wohnung ist zu groß usw.

MieterInnen werden nicht gefragt

Die Autofahrer, die schon jetzt jammern, dass es in Praternähe kaum möglich ist, einen Parkplatz zu finden, werden während der Zeit der Sanierungsarbeiten (ca. 1 ½ Jahre) wegen der Baufahrzeuge und dem zusätzlichen Fahrzeugaufkommen der Handwerker dann überhaupt keinen Parkplatz mehr finden – und fragen sich, wozu sie dafür auch noch das Parkpickerl bezahlen?

Oder: Egal, ob man will oder nicht, werden bei den Sanierungen auch alle Fenster ausgetauscht. Mit Rollos (in einheitlicher Farbe), das macht die Sache nicht nur um ca. 40 Prozent teurer, sondern selbst im engsten Wohnbereich (nämlich mit welchen Farben will ich leben?) hört schon das Mitspracherecht auf. Dazu kommt, dass für alle Mieter auch noch die Kosten für das Ausmalen oder neu Tapezieren der Wohnung anfallen.

Dubiose Auftragsvergabe

Apropos Malerarbeiten: Obzwar es um einen Betrag in der Höhe von insgesamt 10 Millionen geht, gab es keine ordnungsgemäße Ausschreibung für die Arbeiten. Ein Malereibetrieb vor Ort erstellte eine Kalkulation, dass sein Unternehmen die gleichen Arbeiten GANZ SICHER und gleichwertig um 200.000,- Euro günstiger durchgeführt hätte. Denn so seltsame Beträge wie Extrakosten, um die "Baustelle zu säubern" wären bei ihm nicht angefallen, weil das für jeden seriösen Handwerksbetrieb selbstverständlich sein soll.

Auch bei anderen Handwerksarbeiten fällt auf, dass Betriebe die Aufträge erhielten, die mit ihrem Angebot – in den meisten Fällen (nicht immer) – auffallend hohe Kosten angaben und dennoch den Zuschlag erhielten. Auf Kosten der Mieter. Wem fällt dabei nicht sofort der Fall von Betrug ein, als Leute von "Wiener Wohnen" die überteuerten Auftragsarbeiten für Sanierungen Betrieben zuschanzten, die ihren Verwandten gehörten?

Fortsetzung folgt...

P.S.

Dieser Artikel von Gerald Grassl ist von ihm als betroffener Mieter geschrieben worden. Beim Korrekturlesen habe ich als gelernte MieterInnenberaterin einige kleinere rechtliche Fehler gefunden. Das Mietrecht ist leider so kompliziert, dass es verständlich ist, wenn MieterInnen auch nach einer guten Beratung einzelne Begriffe verwechseln. Wir haben uns dennoch entschieden, den Artikel unverändert abzudrucken. Denn, ob die Reparaturen von den Betriebskosten oder aus der Hauptmietzinsreserve bezahlt werden, spielt für die grundsätzliche Aussage keine Rolle: letztendlich wird jede Sanierung von den MieterInnen selber bezahlt. Genau aus diesem Grund schlägt KPÖ-Bezirksrat und Mietrechtsexperte Josef Iraschko, der Gerald Grassl mit Rat und Tat zur Seite stehen wird, eine Gesetzesänderung vor, die eine Drittellösung vorsieht. Jede Sanierung soll zu einem Drittel von den EigentümerInnen, zu einem Drittel öffentlich gefördert und nur zu einem Drittel von den MieterInnen bezahlt werden.

Doris Schlager, Obfrau der MieterInnen-Initiative (www.mieterinnen.org)


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