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Propaganda des Mietrechts

Entdecken SPÖ und Grüne plötzlich ihr Herz für soziales Wohnen?

Mittwoch 20. Februar 2013, von Josef Iraschko - Bezirksrat für KPÖ LINKS, Wien anders und PolDi

Es ist fast wie im Schlaraffenland: Grüne und SPÖ entdecken plötzlich ihr Herz für die MieterInnen. Können wir also von einer drastischen Umkehr der Politik im Bereich “Wohnen” von neoliberal zu sozial ausgehen oder geht es nicht um ganz etwas anderes? Von JOSEF IRASCHKO.

In einer Presseaussendung vom 8. 11. 2012 tönt es aus dem das Büro des Wiener Wohnbaustadtrats Ludwig: »Umfassende Wohnrechtsreform notwendig. Rechtssicherheit, Fairness und Transparenz.« Heiße Luft, denn eines wird nämlich verschwiegen: die gravierenden Verschlechterungen für die MieterInnen der vergangenen Jahre, wie Richtwertmieten, ausufernde Befristungen etc., wurden durch das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz 1994 auf Schiene gebracht. Zu diesem Zeitpunkt und noch bis Februar 2000 gab es mehrere unter Führung der SPÖ stehende Koalitionsregierungen mit der ÖVP. Wenn also Ludwig verlauten lässt: »Befristete Mietverträge sind weitgehend einzuschränken«, und eine »Begrenzung der Wohnkosten« verlangt , dann klingt das wenig glaubhaft, denn die damalige SPÖ-Führung war federführend bei der Entwicklung dieser sogenannten »Reform«.

Die Umfaller der SPÖ

Foto (c) Walter Filip

Dazu passt auch eine Nachricht der SPÖ-Wohnbausprecherin im Nationalrat, Ruth Becher (sie kommt im Übrigen von der Mietervereinigung), im Vorfeld der 2. Wiener Wohnrechtstage vom 8.–9. November 2012 : »Die SPÖ hat bei den Wohnrechtsverhandlungen mit der ÖVP zur Novellierung des Mietrechtsgesetzes diese angeschnittenen Probleme bereits mehrmals vorgebracht. Leider will der Koalitionspartner über eine Begrenzung der Mieten und über eine starke Einschränkung von befristeten Mietverträgen nicht einmal diskutieren.«

Man möchte fast, angesichts der diesbezüglich regelmäßigen Umfaller der SPÖ-Führung, in Ihrem Namen hinzufügen: »Gott sei Dank!« Schließlich kann uns niemand erzählen, dass, angesichts des hohen Bestandes an kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungen, die SPÖ gegenüber dem Koalitionspartner in Wohnungsrechtsfragen klein beigeben müsste. Da fehlt eher der politische Wille.

Und liest man sich ein in die Spartenblätter der Immobilienbranche (z. B. Wohnrechtliche Blätter, Ausgabe 7/8 2012 mit Schwerpunkt: »30 Jahre Mietrechtsgesetz«), dann weiß man von vornherein, wohin die Reise geht, auch wenn damit im Vorfeld von Verhandlungen naturgemäß eine Menge Lobbyarbeit betrieben wird.

Grüner Coup

Foto (c) Walter Filip

Einen überraschenden Coup landete diesbezüglich die Winer Vizebürgermeisterin Vassilakou (Grüne) mit der mediengerechten Aufbereitung Ihrer Forderung nach Mietenobergrenzen (samt populistischer Volksbefragung) auf EUR 7,00. Auch Frau Vassilakou weiß natürlich, dass es hierzu einer Bundesgesetzänderung bedarf. Überraschend – und gleichzeitig irritierend – ist aber die positive Medienresonanz auf ihre Forderung. Als Mietrechtler wissen wir, dass die Medien bisher nie auf Seiten der MieterInnen standen und dass alle bisherigen Mietrechtsänderungen dementsprechend immer nur Verschlechterungen für die MieterInnen brachten.

Sieht man sich aber das Interview, mit dem Vassilakou ihren Vorschlag publik machte, etwas genauer an, wird auch die positive Medienresonanz erklärbar. So fordert die grüne Vizebürgermeisterin, »dass der Mietzins in Wien – ohne Sonderausstattung – mit sieben Euro pro Quadratmeter begrenzt wird.«

Meint sie damit alle Mieten? Also auch die noch geschützten Altbaumieten? Was ja dort zu einer erheblichen Anhebung führen würde. Meint sie die Gesamtmiete, also inklusive Betriebskosten und Umsatzsteuer, was ja fast positiv wäre? Wenn Sie die Nettomiete meint, dann wären die sieben Euro pro Quadratmeter ja eine deutliche Anhebung des gesetzlichen Richtwerts ohne Zuschläge, der derzeit bei 5,16 Euro liegt. Meint sie aber den Richtwert inklusive Zuschläge, dann kommt sie der Forderung von StR. Ludwig, AK und Mietervereinigung mit Beschränkung der Zuschläge auf 25% bereits sehr nahe. Nichts Genaues weiß man nicht, Skepsis ist angebracht.

Schaulaufen der Wohnungspolitik

Dieses »Schaulaufen« von SPÖ, Grünen, AK und SPÖ-Mietervereinigung soll Wesentliches vergessen machen: Die Mietenexplosion der letzten zwanzig Jahre ist eindeutig auf die Befristung von Mietverträgen zurückzuführen. Denn entweder wagen die MieterInnen, in der Hoffnung auf Verlängerung ihrer Verträge, keine rechtlichen Maßnahmen gegen offensichtliche Rechtsverletzungen von Seiten der VermieterInnen, oder die Mieten steigen von einer Befristung zur anderen. Der zentrale Punkt ist also unabdingbar die Streichung sämtlicher Befristungsmöglichkeiten im Mietrecht. Davon hört man von Seite der Schaulaufenden aber herzlich wenig.

Warum der derzeitige Ruf nach einem »fairen« (?) Mietrecht wohl ohne Echo verhallen wird, hat der letzte Austromarxist der SPÖ, Otto Bauer, bereits im Jahr 1928 festgehalten:

»Steht man auf dem Standpunkt, es soll wieder so wie in der bekannten, ›guten, alten Zeit‹ das Privatkapital Wohnungen bauen, dann muss man den Mieterschutz wirklich abbauen, die gesetzlichen Mietzinsbeschränkungen beseitigen. Dann wird durch das Spiel von Angebot und Nachfrage ganz automatisch der Mietzins infolge der Wohnungsnot so lange steigen, bis das Privatkapital es rentabel finden wird, Mietwohnungen zu bauen … Dann wird man natürlich die öffentliche Bautätigkeit einstellen und die Steuern, deren Erträgnisse für die öffentliche Bautätigkeit verwendet werden, ohne weiteres aufheben können. Das ist der eine mögliche Weg. Es ist der kapitalistische Weg …

Wer aber meint, dass der Wohnungsbau Aufgabe des Gemeinwesens sein soll, der hat gar keinen Grund, am Mieterschutz zu rühren, der hat allen Grund, daran festzuhalten, dass die Mietzinse nur so hoch gehalten werden, dass sie die Instandhaltungskosten der Häuser decken, der muss aber andererseits dafür sorgen, dass die öffentliche Bautätigkeit möglich sei …”

Dem ist nichts hinzuzufügen: alle derzeitigen Appelle in Richtung leistbares, sicheres, zeitgemäßes und ökologisch nachhaltiges Wohnen bleiben so lange folgenlose Propaganda, als nicht gleichzeitig wieder volle Konzentration auf den kommunalen Wohnungsbau verlangt und entsprechend großzügig öffentliche Mittel dafür verwendet werden. Allein daran kann man die Ernsthaftigkeit engagierter sozialer Wohnungspolitik ermessen.

Soziale Wohnpolitik, Mieterschutz einerseits und privater Wohnbau andererseits sind miteinander unvereinbar.

Josef Iraschko ist Leiter des MieterInnenSelbsthilfeZentrums (MSZ) der KPÖ Wien.

Beitrag aus: Volksstimme, Februar 2013


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