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Warum wird man im Jahre 2010 KPÖ-Mitglied?

Freitag 22. Oktober 2010, von Nikolaus Lackner

Diese Frage habe ich des öfteren beantworten müssen in den letzten
Wochen. Und ich tat es gern. Und je nach Gesprächspartner etwas
ausführlicher oder auch mal ganz knapp. Hier will ich nun, nachdem
sich die Rauchschwaden nach dem geschlagenen Wahlkampf verzogen haben, darlegen, was einen 34-Jährigen, politisch interessierten Menschen dazu bewogen hat, seinen Eintritt in die KPÖ zu erklären. Und das obwohl er als Jugendlicher dem Jörg Haider auf den Leim gegangen war und sich schwor, nie wieder einer Partei beizutreten.

Politisches stand immer schon im Zentrum meiner Interessen. Schon als
Schüler war ich gewählter Schulsprecher und ging meinen Lehrern gehörig mit meinen ständigen Anliegen auf die Nerven. Es war die Zeit,
in der jede Schule eine rote und eine schwarze Putzfrau hatte.

Und es war auch die Zeit, in der ein gewisser Jörg H. von einem Wahlsieg zum nächsten eilte. Seine einfache Botschaft und seine erfrischend andere Art zu Reden faszinierten mich damals. Seine Saat fiel auf fruchtbaren Boden, denn dass in dem Land etwas verändert gehörte, betonte er dauernd und genau das war auch meine Meinung. Also schloss ich mich dem RFJ an. Wurde, da ich der erste im Bezirk Hallein war, sofort Bezirksvorsitzender und in den Landesvorstand aufgenommen. Dabei galt mein ursprüngliches Interesse der Kommunalpolitik.

Und bald schon saß ich als 16-Jähriger im Kreis von über 30-Jährigen Funktionärssöhnen mit je zwei Handys am Tisch, die von Jugend schwafelten, Posten meinten, und mir Youngster das Führen des Protokolls überließen. Ich stand auf, sagte Ihnen meine Meinung und verließ die Sitzung - ohne je wieder in diese Runde zurückzukehren.

Ich ging zurück in meine Heimatstadt Hallein an der Salzach, in der ich in die Stadtparteileitung kooptiert war. Dort wurde gezecht und gelacht und ab und an kamen auch ein paar brauchbare kommunale Projekte heraus.

Bis zu jenem Abend, an dem mir der Pressesprecher der Stadtparteileitung bei einem Würstel und Bier mit ernster Miene und halb flüsternd die jüdische Weltverschwörung erklärte. Samt KZ-Lügen und anderem, von dem ich heute weiß, dass es unter das Verbotsgesetz fällt.

Da kaute ich mein Würschtl zu Ende, nickte kurz, ging nach hause, und erklärte schriftlich meinen sofortigen Austritt aus allen Organisationen in die mich die FPÖ ohne mein Wissen möglicherweise sonst noch so hineingeschrieben haben könnte. Und ich schwor mir damals, nie wieder in eine Partei einzutreten.

Dann wurde ich Wechselwähler und wechselte zwischen Grünen bei Nationalratswahlen und Kommunisten auf der Gemeindeebene. Es waren Protestwahlen, ich wusste nichts über die KPÖ aber mit Ernst Gold hatten wir in unserer Stadt einen respektierten Kommunisten, der mir sympathisch war.

Je mehr ich über den Kapitalismus lernte, desto mehr lehnte ich ihn ab. Und jeder von uns lernt ja zwangsweise von Kindesbeinen an genug über ihn, um, auch ohne Karl Marx gelesen zu haben, zu verstehen, dass dies kein gerechtes System ist. Ich wurde KPÖ Stammwähler. Ich heiratete eine Wienerin und zog in die große Stadt.

Die Jahre gingen ins Land und statt Jörg H. zeterte nun der Ex-Schwiegersohn von Norbert Burger, der gerne drei Bier bestellt, gegen alles Ausländische. Ein Deutschnationalist wurde 3. Nationalratspräsident. Eine Präsidentschaftskandidatin, deren Kinder altgermanische Namen tragen, forderte die Aufhebung des Verbotsgesetzes.

Als ich im August diesen Jahres nach einer ausgiebigen Bergtour im Großvenedigergebiet wieder zurück in die Bundeshauptstadt kam, sah ich erstmals das Plakat. Jenes Plakat, in dem ein blauäugiger Zahntechniker es zum ersten mal seit sieben Jahrzehnten wieder wagte, mit Blut zu argumentieren. Ich spürte ein Kribbeln in meinen Adern.

Und ich sah meinen Großvater vor mir, der 1938 im selben Viehwaggon wie Bruno Kreisky ins KZ deportiert wurde, eine Woche nach dem Einmarsch. Sein Vergehen? Er war Dorfgendarm in Henndorf am Wallersee und hatte mit einer klugen Aktion dem ebenfalls dort ansässigen Schriftsteller Carl Zuckmayr samt seiner Frau und fünf Kindern die Ausreise in die Schweiz ermöglicht. Da er der einzige Jude in 25 km Umkreis war, war den illegalen Nazis ihr einziges potenzielles Progromopfer abhanden gekommen. Sie waren nicht glücklich darüber und Opa musste ins Lager.

Dort traf er meinen Urgroßvater. Er saß schon seit 1933 in Lagerhaft. Er war Kommunist, Metzgermeister, Freistilringer, hatte Tätowierungen und rauchte gerne Knaster. Ein Outlaw eben. Und als die Rassengesetze in Kraft traten und er sah, wie die jüdischen Kinder im Hinterhof seines Hauses immer dünner und trauriger wurden, weil es ihren Vätern verboten war, ihre Berufe weiter auszuüben, nahm er Abends Fleisch aus der Theke, ging zum Bäcker gegenüber, tauschte es gegen Brot und verteilte dieses an seine Nachbarn jüdischen Glaubens. Der Blockwart hat’s gesehen, die Gestapo kam. Und Urgroßvater saß von 1933 bis zur Befreiung durch die Rote Armee im Jahre 1945 in vielen verschiedenen Lagern als "Politischer" ein.

Meine Familie ist also in einer Baracke in Buchenwald entstanden, denn nach dem Kriege heiratete Opa Uropas Tochter. Und obwohl hochdekoriertes Mitglied der SED, war ihm als Geheimnisträger die Ausreise nicht erlaubt. Meine Mutter nahm mich mit 3 Monaten mit in die DDR und dort entstand ein Bild, auf dem mein Urgroßvater mich Winzling in den Händen hält und wir lächeln uns an. Dieses Bild ist sein persönlicher Sieg über den Faschismus. Und für mich moralischer Ansporn und Auftrag zugleich. Das also ist das Blut meiner Ahnen, das zu kochen begann als ich die Plakate mit dem Wiener Blut sah.

Und dann entschied ich mich, meinen Schwur zu brechen und schrieb ein kurzes Mail an die KPÖ mit dem Titel:

"Es ist Zeit geworden, mich einzubringen".

Nun bin ich Mitglied dieser traditionsreichen Partei und habe den Wahlkampf in der Leopoldstadt mit aller Kraft mitgetragen. Ich habe schon viele GenossInnen kennengelernt und es werden weitere folgen. Und ich bin angekommen in meiner politischen Heimat. Und wenn mich heute wer fragt:

"Wie kannst Du nur im Jahre 2010 der KPÖ beitreten?" dann antworte ich kurz: Weil ein Mensch dazulernen kann und es nie zu spät ist, das Richtige zu tun. Und weil ich spüre, dass ich hier richtig bin. Denn es kommen wieder Zeiten in denen Widerstand keine Floskel sein wird, und Gewissen etwas ist, das man nicht kaufen kann.


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