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Finanzkrise oder permanente Krisenhaftigkeit?

Freitag 22. Mai 2009, von Josef Iraschko - Bezirksrat für KPÖ LINKS, Wien anders und PolDi

Das Gerede von der Finanzkrise ist der Versuch von der Untauglichkeit und der permanenten Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystem abzulenken. Statt unnütze, allein auf Disziplinierung ausgerichtete Jobprogramme: Her mit mit dem bedingungslosen Grundein-kommen für alle!

Josef IraschkoDie wirtschaftliche Realität zeigt: die Finanzkrise schlägt immer stärker auf die Realwirtschaft durch und wird mehr und mehr zu einer großen, langfristigen Wirtschafts- und in deren Folge zu einer für das System und die Menschen bedrohlichen Gesellschaftskrise. Arbeitslosigkeit, Lohnverlust, Kurzarbeit, tiefe Einschnitte in die Sozialsysteme sind aus Sicht der um ihre Profite fürchtenden Unternehmen die alternativlos, quasi naturnotwendigen Folgen. Beschränkt auf die Finanzkrise sind die Erklärungen einfach: die korrupten und gierigen ManagerInnen, die überforderten PolitikerInnen, das Bankensystem etc. sind schuld an der Krise.

Das alles ist aber nur Teil der Wahrheit, sie nimmt die Erscheinungsform für die Ursachen. Wie wäre es, wenn wir das einmal umgekehrt sehen würden: die realwirtschaftliche Verfassung des Systems: gesellschaftlicher Charakter der Produktion, private Form der Aneignung der geschaffenen Werte sind die Ursachen, die Finanzkrise die logische Folgen einer realwirtschaftlichen (Überproduktions-) Krise, die ja dann nichts anderes wäre als die typische Krise eines chaotischen, anarchischen, planlosen Systems. Würden die angebotenen Konzepte zur Krisenüberwindung dann nicht als das erkannt, was sie in Wirklichkeit sind: untaugliche Mittel, PR-Maßnahmen zur Verschleierung des systemischen Ursachen, Vorbereitungen auf die nächste, noch größere Krise durch weitere Verschärfung des weltweiten Konkurrenzkampfes?

Nehmen wir es einmal klassisch:
Krise als Widerspruch zwischen Produktion und Konsumption, also Ausdehnung der Produktion im Profitinteresse und relativer Begrenztheit der zahlungsfähigen Nachfrage, sowie als Widerspruch zwischen der planvollen Organisation der Produktion in den einzelnen Unternehmen und der Anarchie der Produktion in der gesamten Gesellschaft (national, international). Nach Marx drängen diese Krisen zu einer neuen geschichtlichen Gestalt der Produktion.

Um aber genau das zu vertuschen, lehren uns die bürgerlichen Ökonomen, die Politik und der Rattenschwanz der diensteifrigen bis gekauften JournalistInnen, dass eigentlich die KonsumentInnen schuld an der Krise seien, denn sie hätten “über ihre Verhältnisse” gelebt, hätten sich über Kredite immens verschuldet und könnten die Zinsen und Rückzahlungenraten nicht mehr bedienen. Wie unglaubwürdig und lächerlich bei näherer Betrachtungsweise diese Argumente sind beweist allein die Tatsache, dass Milliarden an Werbebudgets mit den ausgeklügelsten Methoden der Manipulation ausgegeben werden zum alleinigen Zweck der Absatz- sprich Profitsteigerung.

Nehmen wir den amerikanischen Häusermarkt, der das alles ausgelöst haben soll: zunächst gibt es in den USA keinen sozialen Wohnbau sondern die Ideologie des privaten Eigentums erfordert auch das entsprechende Wohnungs- bzw. Hauseigentum. Wer nur mieten kann, der ist gesellschaftlich arm dran. Auf Grundlage eines derartigen gesellschaftlichen Zwangs zum Eigentum an Wohnraum und weil es kaum Alternativen dazu gibt, müssen sich Menschen und Familien gerade auch mit niedrigem Einkommen hoch verschulden. Gleichzeitig braucht die der chaotischen kapitalistischen Produktionsweise geschuldete regelmäßig aufkommende Überproduktion eine alle ökonomische Vernunft verschlingende Absatzfinanzierung (-kreditierung). Nur so ist es erklärbar, dass – wie allseits berichtet wird – trotz völlig mangelnder Sicherheiten KonsumentInnen kaufen können, weil sie auch kaufen müssen. Das Finanzkapital, der Zusammenschluss von Industrie-, Handels-, Banken- und Versicherungskapitals ermöglicht/erzwingt das bei Strafe des eigenen Untergangs. Wenn jetzt von 2 – 3 Millionen Familien die Rede ist, die ihre Häuser und Eigentumswohnungen verlieren (das würde zum Vergleich die gesamte österreichische Bevölkerung betreffen) und wenn – angenommen – ein Haus einen Wert von $ 200.000,00 hat, dann bedeutet das allein auf dem Wohnungssektor uneinbringliche Kredite in Höhe von $ 400 - $ 600 Milliarden. Welches Land könnte sich derartige Kreditierungen zur zwanghaften Ankurbelung der Produktion leisten, also zum Abbau von Überproduktion ?

Die Bündelung und dann der internationale Verkauf dieser “faulen Kredite” war offenbar von Anfang an geplant, konnte aber längere Zeit durch immer undurchsichtigere Finanzprodukte verschleiert werden. Dass die internationale Bankenwelt sich derartige Finanzprodukte andrehen ließ, lässt die Vermutung zu, dass sie das sie sehr genau Bescheid wussten. Sie wussten aber auch, wie sie aus der für sie längst sichtbaren Krise nochmals ordentliches Kapital schlagen konnten und sie wollten das auch. Sie hängten die horrenden Schulden den öffentlichen Haushalten um. Erst ab hier, meine ich, spielt systembedingte Gier, Macht, Korruption und Bereicherung eine entscheidende Rolle. Die Verlagerung und Konzentration der Diskussion auf diesen Bereich und die Hervorhebung der Managereinkommen ist ein Ablenkungsmanöver. Ein System, dass zum barbarischen Konkurrenzkampf jeder gegen jeden zwingt, braucht sich über derartige “Auswüchse” nicht zu wundern, sie sind Ergebnis und nicht Ursache.

Beschäftigungsprogramme - wofür?

Wenn wir aber den Hauptgrund der Krise in der Realwirtschaft sehen, die dann über ein "faules" Finanzsystem wiederum die Überproduktion verstärkte, dann fragt sich, ob alle die milliardenschweren Stützungsmaßnahmen gerade für diejenige, die das ganze zu verantworten haben: Finanzmarkt und Industrie, die richtigen Adressaten für Lösungskompetenz sind. Eigentlich ist gerade das das Bedrohliche in dieser sich erst ausweitenden Krise. Es ist doch offensichtlich, dass Politik, Wirtschaft und Medien, die das ganze als Maßnahmen zur Stützung und Belebung der Konjunktur und damit zur Sicherung der Arbeitsplätze verkaufen, Teil des Problems sind und sicherlich nicht dessen Lösung. Angesichts der riesigen Lagerbestände an Autos, unverkaufbaren Häusern und Waren, etc. von Konjunkturprogrammen zu sprechen, gleichzeitig aber nicht einen Gedanken für ausreichende materielle Grundsicherung der Menschen als die eigentlichen KonsumentInnen zu verschwenden, das müsste doch selbst für die gläubigsten Anhänger des System als ein unlösbarer Widerspruch erscheinen. Diese Wirtschaft und in ihrem Schlepptau die Politik wollen nur eines, diese Krise für eine bessere Positionierung im weltweiten Konkurrenzkampf nutzen, insbesonders durch massive Verbilligung der Ware Arbeitskraft.

Echte Lösungen bieten sich an

Die einzigen Maßnahmen zur Eindämmung der Krise könnte doch nur sein, dem spekulativen Finanzkapitals alle Mittel zu entziehen, das hieße größtmögliche Besteuerung der Unternehmensgewinne, das hieße, die Ausgaben für die Bevölkerung in Bildung, Gesundheit, Wohnen, Kommunikation und Mobilität auf Kosten der Unternehmensgewinne zu steigern und das hieße vor allem: Nachdenken über die Stärkung und Erneuerung des gemeinwirtschaftlichen Sektors. Würde die Politik in diese Richtung Maßnahmen setzen, statt Banken und Unternehmen milliardenschwer zu beschenken, dann würden auch dem Finanzkapital die Mittel zur Spekulation entzogen. Jetzt spätestens wäre auch der Zeitpunkt gekommen, sich Gedanken über eine bedingungsloses Grundeinkommen für alle zu machen. Das Märchen: gehts’s der Wirtschaft gut, dann geht es allen gut, hat sich durch die Krise selbst ad absurdum geführt. Es sind nicht die Arbeitsplätze, die den UnternehmerInnen schlaflose Nächte bereiten sondern allein die Frage, wieviel Arbeitsplätze muss ich wegrationalisieren und billiger (sprich: rechtloser!) machen, um mir auf einem überfüllten Markt Vorteile zu verschaffen um so meinen Profit trotz Krise zu steigern.

Das hieße aber auch über unsere Produktionsverhältnisse und über die Verteilung des Reichtums an Waren und Geld nachzudenken. Aber das hieße auch die Krise tatsächlich als Chance für einen neuen geschichtlichen Ansatz für Produktion, Finanzierung und Verteilung zu begreifen. Es ist doch absurd, wenn bei einem derartigen Reichtum an Produktionsmittel, an Kenntnissen und Fertigkeiten alle die Fähigkeiten der heutigen Gesellschaften ständig abgewertet und stillgelegt werden nur weil ein letztlich menschenunwürdiges und untaugliches System lieber alles in den Abgrund mitreißen will, bevor es endlich von der historischen Bühne abtritt.


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