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Die verkaufte Stadt

Über den Kommerzialisierungsdruck auf die urbanen Freiräume

Donnerstag 13. Dezember 2007, von Alexander Weiss

Die Gestaltung und Entwicklung des städtischen Lebensraums ist eines unserer primären Anliegen, weil damit Fragen der Lebensqualität, des Teilhabens am öffentlichen und für alle zur Verfügung stehenden Raums und dessen Nutzung verbunden sind. Ein Projekt wie etwa das für die Verbauung des Donaukanals entworfene "Trialto" zeigt, dass wir mit der Entwicklung konfrontiert sind, in der Freiräume (sofern dieser Begriff im Sinne von "frei verfügbar" Überhaupt zutreffend ist) in der Öffentlichkeit zunehmend einer Verwertungslogik und einer kommerziellen Nutzbarmachung unterworfen werden. Dabei gehen die öffentlichen Verwaltungen zunehmend Kooperationen mit privaten Investoren ein.

Den Hintergrund für Public Private Partnerships (kurz PPP) bildet zum Teil die politisch herbeigeführte Finanzschwäche vieler kommunaler Haushalte. Sie stehen in ihrer Verantwortung zur Gestaltung des öffentlichen Raums unter wachsendem budgetären Druck. Das "gesunde Verhältnis zwischen Poltik und Wirtschaft" erhält deshalb eine neue Qualität: war die kommerzielle Nutzung des öffentlichen Raums als Konsumraum oder Verkehrsfläche bereits seit langem oberste Prioriät in der Kooperation, so erhalten nunmehr die "Partner" genannten Investoren noch weiter reichende Rechte bei der Gestaltung und letztlich das Eigentumsrecht über die gestalteten Flächen und errichteten Gebäude. Dem öffentlichen Partner obliegt es, die notwendige Infrastruktur und rechtliche Absicherung für die Errichtung beizusteuern. Ebenso muss die Verwaltung eventuelle städtebauliche oder andere Auflagen so gestalten, dass dies den Investoren ihre Investition wert erscheinen lässt. Es entstehen Verkaufs- und andere Konsumorte, verbunden mit den notwendigen Geh- und Verkehrswegen sowie Einsprengsel vermeintlicher Erholungsvorrichtungen.

Zu hinterfragen ist auch die Vorstellung einer Win-Win-Situation bei PPP-Investitionsvorhaben: Zielvorgaben eines Unternehmens sind Umsatzsteigerung, Gewinnmaximierung und der Kampf um Marktanteile, wenn es im Wettbewerb bestehen bleiben will. In einem Zielkonflikt dazu steht eine Politik, die, wie wir fordern, am Gemeinwohl orientiert sein muss und daher bei der Erschließung von Ressourcen auch die Interessen jener Menschen und Gesellschaften wahrzunehmen hat, die ihre Bedürfnisse nicht oder nur unzureichend durch ihre Kaufkraft decken können.

Damit geht auch ein Begriffswandel von "Freizeit" einher: Freizeit als Gegenstück zur Zeit der Erwerbstätigkeit ist immer mehr gleichzusetzen mit jener Zeit, die uns zum Warenkonsum zur Verfügung steht. [1]
Auf diesen Dualismus deutet auch die Schaffung solcher "Freizeit-"Räume wie das Projekt "Trialto" hin: nie und nimmer wären private Investoren an der Errichtung einer reinen Erholungsstätte interessiert. Den Eindruck einer Flaniermeile vermag eine Skizze des "Trialto" nur dadurch zu erwecken, dass in dieser alle Verkaufsflächen einfach ausgespart wurden, welche am Grundriss ausgewiesen sind. Dies ist kein Zufall, flaniert werden soll hier einmal tatsächlich, allerdings vornehmlich von kauflustigen PassantInnen zwischen der Rotenturmstraße und dem neu gestalteten, Luxushotel im ehemaligen Uniqua-Gebäude.

Wenn wir für die Neukonzeption urbaner Zonen eintreten, dann nur unter den Bedingungen, dass diese tatsächlich auch eine vollständige nichtkommerzielle, rein regenerative Rolle zu spielen haben. Genau solche verwertungsfreie Räume werden jedoch für Investitionsprojekte, wie die aktuelle Politik sie verfolgt, zurückgedrängt (etwa der durchgängige Radweg entlang des Kanals, der dann ja durch dieses quasi-Privatgrundstück abgeschnitten würde).
Wir verlangen städteplanerische Alternativen als Ausgleich zu privaten kommerziellen Zonen. Gegenwärtig bedeutet die Schaffung von "Frei"-Zeitbereichen eben eine zusätzliche kommerzielle Verdichtung im "öffentlichen" Raum, der eine Verdichtung der Lebensfrequenz zur Folge hat: man könnte so etwas im weiteren Sinne die Schaffung von "Stresszonen" nennen, die anstelle regenerativer Tätigkeiten zur hauptsächlichen Ergänzung der täglichen Erwerbsarbeit werden.
Dass bei derlei Entwicklungen Aspekte wie die Schaffung von Grünflächen, Verkehrsberuhigung (Forcierung des nichtmotorisierten Verkehrs) und Regenerationsbereichen in der Öffentlichkeit unter den Tisch fallen, ist klar: das dadurch herausgenommene Tempo könnte ja möglicherweise konsumhemmend wirken.

PolDi befürwortet eine andere Gestaltung des öffentlichen Raumes:

Der Umfang von Geschäftsflächen soll bei der Neugestaltung eines öffentlichen Raumes nur in dem selben Maß entstehen oder erhalten bleiben, in dem auch Raum für konsumfreie Erholung entsteht. Gehwege und andere Verkehrsflächen gelten in dieser Rechnung selbstverständlich nicht als Erholungsraum.

Im Zuge der Neugestaltung öffentlicher Flächen müssen geräumige Fahrradwege und Spuren für den öffentlichen Verkehr Vorrang bekommen. Neu gestaltete öffentliche oder öffentlich zugängliche Flächen müssen zudem wirklich barrierefrei eingerichtet sein!

"Frei-Zeit" heißt für uns auch: konsumfreie Zeit. Wir lehnen die fortgesetzte Ausdehnung der Wochenöffnungszeiten im Handel ab, weil diese einer verdichteten Kommerzialisierung des urbanen Raums zu Lasten von Erholung und konsumfreien Bereichen Vorschub leisten.

Anmerkungen

[1Dass dem Kunden selbst diese Konsumzeit nicht unbegrenzt zugebilligt wird, zeigt die etwa der Fall eines englischen Fastfood-Kunden. Er hatte sein Schnellmenü aus Sicht des Unternehmens zu langsam verzehrt und die zur Verfügung gestellte Infrastruktur zu lange in Anspruch genommen.


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