Der Grund: ein weiterer Sponsor habe sich zu Wort gemeldet, der das Filmarchiv-Projekt ausfinanzieren und im Unterschied zur Pühringer-Stiftung eine Sponsorship betreiben wolle, die keinen inhaltlichen Einfluss anstrebe.
So positiv diese nun real auftauchende Alternative für die Leopoldstadt ist, stellt sich trotzdem die Frage, wer und vor allem wo hier eigentlich politische Entscheidungen getroffen werden. Geht es wirklich nur mehr darum, nach amerikanischem Muster Kultur und Kunst zu käuflich erwerb- und förderbaren Tausch- bzw. Gebrauchswaren verkommen zu lassen, wo dann derjenige Sponsor den Zuschlag bekommt, der die öffentlichen Budgets scheinbar entlastet?
Absolut unerträglich
Es widerspricht jeder demokratischen Kultur, wie Entscheidungen im Bezirk zustandekommen. Da wird die Einberufung einer BürgerInnen-Versammlung so lange hinausgezögert, bis bei dieser nur mehr über Auswirkungen von hinter verschlossenen Türen gefällten Entscheidungen auf die Bezirksbevölkerung diskutiert werden kann. Bürgermeister Häupl, SPÖ, ÖVP und FPÖ sprechen sich im Gemeinderat für den Konzertsaal aus und die Grünen wollen beide Projekte verwirklicht sehen, ungeachtet der zu Recht kritisierten Umwelt- und Anrainerbelastungen. Dem hat sich vor kurzem auch die ÖVP-NR-Abgeordnete Brinek vorsichtig angeschlossen. Selbst in der offiziellen schriftlichen Einladung zur BürgerInnen-Versammlung von BV Gerhard Kubik steht diese Entscheidung als alternativlos da, obwohl der selbe Kubik noch einige Tage zuvor in der Bezirkszeitung von einer spannenden Versammlung spricht, da doch zwei Projekte, Konzertsaal oder Filmarchiv, zur Auswahl stünden, natürlich mit dem Hinweis, dass die Versammlung selbst keine Entscheidungsgewalt habe.
Diese verkommene Art von Politik wird von der Bevölkerung abgelehnt. Die Akteure fürchten sich vor dem Unmut der Menschen und kommunizieren Sachverhalte - meist als alternativlos dargestellt - nur mehr über willige Medien. Diese Art von Politik, die nicht mehr gestaltend sondern nur mehr untertänigst die Aufgabe der Ruhigstellung der Bevölkerung verfolgt, hat jetzt durch die neueste Entwicklung eine ordentliche Blamage erlitten. Erst jetzt bekommt die BürgerInnenversammlung doch noch einen Sinn. SPÖ/ÖVP/FPÖ samt Bezirksvorstehung stehen dumm da, weil sie sich zum Spielball scheinbar übermächtiger wirtschaftlicher Interessen degradieren haben lassen.
Unabhängig davon, welches Projekt nun den Zuschlag bekommt, stellt sich schon die Frage, was die Versammlung überhaupt soll und welche Empfehlungen sie aussprechen kann bzw. sollte.
Unser Standpunkt
PolDi (PolitikDirekt in die Leopoldstadt) ist prinzipiell gegen jegliche Zweckentfremdung, und das heißt heute immer nur: profitable Verwertung öffentlichen Raums, besonders desjenigen, der für Erholung, Freizeit, Spiel, Ruhe etc. dient. Diese prinzipielle Verweigerung geht von den Bedürfnissen der Menschen mit geringem bis mittlerem Einkommen aus, die im Höchstmaß darauf angewiesen sind, dass der öffentliche Erholungsraum kostenlos zugängig ist. Die Tendenz, den öffentlichen Raum zu privatisieren und ihn unter ungeheurem Konsumdruck der Profitlogik zu unterwerfen, schließt in der Konsequenz Menschen mit geringem Einkommen von seiner Nutzung aus und das heißt auch, dass diese Menschen von der Teilhabe an der Gesellschaft mehr und mehr ausgeschlossen werden.
Zugegeben: im Falle des Augarten-Spitz trifft der Erholungscharakter nur sehr beschränkt zu, so dass die Frage der Bebauung auf Grund der objektiven Voraussetzungen anders zu beurteilen ist: das ganze Gebiet ist Bundesgebiet und außerdem besteht ein gültiger Flächenwidmungsplan. Allerdings ist zu beachten, welche Folgen derartige Projekte insbesondere für die Anrainer haben und da muss dann sehr wohl überlegt werden, welchem der beiden Projekte der Verzug gegeben werden soll und zwar einzig unter dem Aspekt: dient es der Bevölkerung oder nicht?
PolDi spricht sich für das Filmarchiv- und gegen das Sängerknaben-Projekt aus!
Was spricht für das Filmarchiv?
Die Projektbetreiber versprechen eine architektonisch sehr ansprechende und die unmittelbare Wohngegend nicht erschlagende Bebauung. Außerdem soll mittels dieses Projekts die Öffnung und Begehbarkeit eines bisher geschlossenen Teils des Augartens ermöglicht werden.
Das Filmmuseum soll ein öffentlicher Kulturort werden, der für den kulturell ohnehin vernachlässigten 2. Bezirk und seine Bevölkerung wertvolle kulturelle Impulse setzen kann und der einen allgemeinen kulturellen Anspruch zu verwirklichen hat, bzw. diesen sogar einfordern könnte. Unseres Erachtens sollte aber ein Weg gefunden werden, die umliegende Bevölkerung zur kostengünstigen, wenn nicht sogar kostenlosen Nutzung des Kulturangebots zu ermutigen.
Im Gegensatz zum Konzertsaal wird es entsprechend der Projektbeschreibung zu keiner all zu großen Belastung der umliegenden BewohnerInnen kommen. Wobei mit den ProjektbetreiberInnen noch besprochen werden sollte, wie bei größeren Events (Filmfestspiele etc.) der private Autoverkehr hintan gehalten werden kann.
Was spricht für das "Sängerknaben" -Projekt?
Zunächst handelt es sich um ein privatfinanziertes, elitäres Projekt und als solches unterliegt es immer einer Gewinnlogik und damit geht es um größtmögliche Auslastung und um finanzstarkes Publikum. Das bedeutet, dass diese Art von Kultur kein Angebot an die Bezirksbevölkerung beinhalten wird. Es geht hier um ein Projekt, das sich letztlich nur an den Tourismus wendet - unter Ausschluss der mit den Folgen belasteten AnrainerInnen. Und was passiert, wenn sich der großzügige "Maecenas" in weiterer Folge - und das kommt sicher - zurückzieht und dann die Stadt erst recht auf den Kosten des laufenden Betriebs sitzenbleibt?
Bei allen unseren Umfragen und Gesprächen im Bezirk haben wir festgestellt, dass kein/e einzige/r Befragte/r schon jemals bei einem Sängerknaben-Konzert gewesen ist. Man kennt diesen anachronistischen, elitären Bubenverein aus Film und Fernsehen und aus den Berichten über dessen internationale Auftritte und Erfolge. Dieser Verein ist ein typisches Fremdenverkehrs-Produkt. Das bedeutet aber, dass der geplante Konzertsaal unter Ausschluss der Leopoldstädter Bevölkerung eine Rolle spielen und - folgend der Profitlogik - zu einer immer größeren Belastung für die unmittelbaren BewohnerInnen führen wird.
Aufwertung des Bezirks?
Die Mehrheitsfraktion im Bezirk, die SPÖ, und nicht nur diese, argumentiert ständig bei solchen Projekten, dass das zur Aufwertung des Bezirks führen wird. Fragt sich eigentlich: Aufwertung für wen? Sicherlich für Grund-, Boden- und Wohnungsspekulanten. Die Wohnungen werden teurer, der Absiedlungsdruck auf AltmieterInnen wird zunehmen und der Augarten wird immer mehr zum Objekt der Begierde. Gleich dem Trojanischen Pferd dienen solche Projekte, sind sie einmal durch, hauptsächlich dazu, weitere Einschränkungen des Erholungsraumes zu begründen und durchzusetzen.