Zunächst möchte ich dem Kollegen Adi Hasch (Grüne) für den Hinweis danken, dass auch die KPÖ in der Vergangenheit eine inkonsequente und falsche Linie zur Frage der Atomnutzung gehabt hat: in den sozialistischen Ländern das gute Atom und in den kapitalistischen Ländern das schlechte. Aus heutiger Sicht kann man nur sagen, dass das eine zumindest sehr vereinfachte Darstellung bedeutete.
Zum gemeinsamen Resolutionsantrag:
Ich habe diesen gemeinsamen Resolutionsantrag aller Fraktionen mit viel Bauchweh unterstützt, weil ich die politische Stoßrichtung für verfehlt halte: was soll denn der Ausdruck "schrittweise Abschaltung aller Atomkraftwerke" bedeuten? Ein typisches Placebo. Was soll die Stoßrichtung in der Begründung, die auf sogenannte Risiko-Atomkraftwerke abzielt? Diesem Antrag, der letztlich überhaupt keine Konsequenz erfordert, kann jeder/jede zustimmen. Ich befürchte, dass damit eine Wohlverhaltenspolitik zum Ausdruck gebracht wird, die für die Zukunft mehr schaden kann als sie nutzen wird. Auch die Forderung nach einer nicht bindenden europaweiten Abstimmung ist letztlich ein Täuschungsmanöver gegenüber den Menschen, die ehrlich besorgt sind und in der Mehrheit schon immer der Atomtechnologie ablehnend gegenüber standen.
Man muss keine besonderen Kenntnisse zu Fragen der Kernenergie haben, um zu verstehen: Atomkraft ist nicht beherrschbar, sie macht von einigen wenigen Rohstoffimporteuren abhängig, der Uranabbau zerstört die Lebensgrundlagen von Zehntausenden in der dritten Welt, die Atombranche kassiert Milliarden an Subventionen, die extreme zentralistische Form der Energie, die von wenigen Großkonzernen kontrolliert wird, ist per se demokratiefeindlich, von den gesundheitlichen Gefahren selbst bei Normalbetrieb ganz zu schweigen. Die Entsorgung des radioaktiven Abfalls müsste eigentlich für zehntausende von Jahren gewährleistet sein und die Kosten dafür in die Preise einkalkuliert werden. Wer würde dann noch Atomstrom beziehen? Letztlich wurde und wird die Menschheit in eine Energiepolitik hineingezwungen, die finanziell, technologisch und energiepolitisch zukunftsfeindlich ist, aber nach wie vor als alternativ- und auswegslos dargestellt wird.
Vor diesem Hintergrund ist die Frage mehr als berechtigt, warum von Industrie, Wirtschaft und Politik unter enormer Unterstützung sämtlicher Medien derart und auch weiterhin auf die Kernindustrie gesetzt wird?
Für uns KommunistInnen ist die Antwort relativ einfach: es geht um milliardenfachen Extra-Profit einiger Weniger auf Kosten der Allgemeinheit. Milliarden an Entwicklungskosten aus den Budgets der Staaten bzw. der EU, dadurch hohe konkurrenzlose Gewinne, weil Folgekosten nicht eingepreist werden, und dann die Entsorgung, die wiederum von der Allgemeinheit bezahlt werden muss. Und bei einer derartigen Katastrophe wie in Japan werden die letztlich verantwortlichen Konzerne und PolitikerInnen von der Bühne verschwinden, weil sie die hohen Bewältigungskosten gar nicht leisten können und wieder hat die Bevölkerung nicht nur die ungeheuren Folgeschäden gesundheitlicher, wohnpolitischer, familienpolitischer und sozialpolitischer Art zu tragen, sondern auch die Folgen des zu erwartenden Zusammenbruchs der Wirtschaft.
Diese Technologie ist nicht fortschrittlich, sie ist in höchstem Maße menschen– und zukunftsfeindlich. Heute aber stehen wir angesichts der Katastrophe in Japan vor einer scheinbar unentrinnbaren Perspektive. Denn einerseits bleibt der sofortige Ausstieg und die Abschaltung aller Atomkraftwerke die einzig notwendige Option und keine wie immer geartete neue Pseudo-Sicherheitsdebatte. Andererseits aber werden die Menschen von der weltweiten Atommafia und ihren Medien unglaublich desinformiert und eingeschüchtert: wenn ihr das wollt, dann gehen eben die Lichter aus und unser ganzer Lebensstandard geht den Bach hinunter. Entweder Atomstrom mit allen Risiken für die gesamte Menschheit oder Steinzeit. Dieser Zynismus kann nur aus kranken Hirnen entspringen, eben aus kapitalistischen. Oder - wie im KURIER vom Wochenende - die Lobbyisten der Strom- und Energiebranche drohen uns allein in Österreich bis 2020 mit mehr als 300 neuen Kraftwerken, wenn wir auf Atomstrom verzichten wollen. Bemerkenswert dabei ist, dass uns noch vor Jahren eingeredet wurde, dass die Stromwirtschaft in Österreich ohne Atomstromlieferungen arbeitet.
Was die "Steinzeit" anbelangt, stellen wir heute fest, dass es genau umgekehrt ist: Warum gehen dort die Lichter aus? Warum wird die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung dramatisch? Gerade weil auf Atomstrom und nicht auch auf alternative Energien oder Energiesparen gesetzt wurde.
Die einzige wirkliche und auch sofort machbare Option wäre Energiesparen, aber natürlich nicht auf dem Rücken derjenigen, die ohnehin nichts mehr zum Sparen haben. Warum wird die Wirtschaft und die Industrie nicht von der Politik gezwungen, energiesparende Produkte herzustellen? Nehmen wir nur z.B. die Standby-Funktionen: warum soll der Konsument darauf achten und nicht der Produzent? Energiesparen kann doch nur heißen, den gesamten Erzeugungs- und Lebenszyklus, inklusive Entsorgung und Wiederverwertung eines Produkts genau danach zu konzipieren. Warum wird das nicht gemacht?
Verlangen wir scheinbar Unmögliches, z.B. ein weltweites sofortiges Verbot aller Leuchtreklamen. Wieviel Energie könnte dadurch eingespart werden. Wieviele Kraftwerke wären dann unnötig? Verlangen wir eine Energiegrundsicherung für alle und eine progressive Besteuerung für jeden Verbrauch, der darüber hinausgeht. Verlangen wir Freifahrt auf allen Öffis, um den privaten Energieverbrauch entscheidend zu drosseln.
Ich weiß schon, das rüttelt alles an den Grundfesten des kapitalistischen Profitsystems, aber sollen wir diesem menschenfeindlichen System quasi nibelungentreu bis in den Untergang folgen?
Abschließend noch einmal: Es geht nicht um eine "schrittweise" Abschaltung einiger weniger Atomkraftwerke, sondern um die sofortige, und schon gar nicht um den Trick einer europaweiten Abstimmung darüber.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!