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Literaturempfehlung

Die Facebook-Falle

Es gibt Freunde, schlimmer als Feinde

Donnerstag 24. Februar 2011, von Kurt Lhotzky

Dass wir in Umbruchszeiten leben, haben in den letzten Wochen die spektakulären Massenbewegungen in Tunesien und Ägypten gezeigt. Flinke Journalisten, stets auf der Suche nach Erklärungen für das für sie Unerklärliche, prägten sofort einen neuen Begriff: Die „Generation Facebook“ hat ihrer Meinung nach die erste „Twitterrevolution“ gemacht. Nun – bei der Organisierung von Protesten war das Netz wohl hilfreich – getragen wurden die Demonstrationen aber von realen Menschen, die mit realen Knüppeln und realen Kugeln von der Straße getrieben werden sollten.

Die „sozialen Netzwerke“ sind aus dem Alltag der meisten Internetbenutzer in den entwickelten Ländern nicht mehr wegzudenken: 500 Millionen Menschen jagen heute auf Facebook neuen Freunden hinterher, müllen teilweise den Cyberspace mit Banalitäten en gros und en detail zu, versuchen andererseits ernsthafte Dikussionsthreads zu starten, deponieren ihre Familienfotos im Netz und drücken auf den „Gefällt mir“-Button, wenn sie Etwas urcool finden. Und das ganze ist noch dazu kostenlos...

Sascha Adamek zeigt, dass auch in der virtuellen Welt nichts umsonst ist. Wie könnte das Unternehmen Facebook sonst auf einen geschätzten Marktwert von 33 Milliarden US-Dollar kommen? Denn tatsächlich zahlen die Facebook-Nutzer in einer imateriellen Währung einen hohen Preis. Mit ihren Daten, ihrem agieren und navigieren, mit jedem Mausklick im Portal des „sozialen Netzwerks“ generieren sie neuen Wert. Denn Unternehmen aller Art nutzen diese mitunter recht intimen Daten dazu, punktgenau ihre Produkte und Dienstleistungen zu bewerben, Bedürfnisse zu schaffen und Marktlücken zu finden, spielen virtuos auf der Klaviatur emotionaler Sehnsüchte. Was man aus der Realwelt in Form diverser Strukturvertriebe kennt: Menschen, die mit der Hoffnung auf schnellen Reichtum Freunde, Verwandte und Arbeitskollegen - „nur zu deren Bestem“ - von den Segnungen neuer Kosmetikprodukte, Schlankheitspillen oder Finanzprodukte überzeugen und selbige gleich verscherbeln und am Ende statt mit Millionen am Konto ohne soziale Kontakte überbleiben – läuft bei Facebook permanent im Hintergrund ab.
Denn: Ein Portal, das alle Menschen zu Freunden machen will, lebt vom Vertrauen, dass man Freunden eben entgegenbringt. Und wenn viele Freunde den „Gefällt-mir-Button“ drücken, muss wohl was dran sein, egal, was dahinter steckt.

Aber nicht nur das Konsumverhalten wird erkundet und ausgewertet – auch politische, religiöse und weltanschauliche Ansichten werden transparent und analysierbar gemacht. Erleichtert wird das durch Facebooks lockeren Umgang mit dem Datenschutz. Schnell wird man seine Passwörter und damit den Zugang zu seinen Mailaccounts und Adressbüchern los, man fängt sich neugierige Cookies ein und verstreut diese genauso locker wie Grippebazillen beim Niesen.

Sprechen wir es einmal offen aus: Was die europäischen Geheimdienste und politischen Polizeiabteilungen in den 70er und 80er Jahren in mühevoller Kleinarbeit unter dem Begriff „Rasterfahndung“ über angebliche Terroristen, Radikale und Verfassungsfeinde zusammengetragen haben, wird ihnen heute in Facebook gratis serviert. Jeder Freund auf einer Faebookseite führt zu neuen Freunden – so lässt sich das Umfeld der User detailliert durchleuchten, und das kann fatale Folgen haben. Adamek führt das Beispiel eines iranischen Intellektuellen an, der einen Monat nach den umstrittenen Präsidentenwahlen in seinem Heimatland dorthin zurückkehrte und gleich am Flughafen von Revolutionswächtern festgenommen und „scharf“ verhört wurde. Basis der Verhöre war die Freundesliste seines Facebookaccounts, über den regimekritische Positionen verbreitet worden waren. Nebenbei – auf angeblich oppositionellen Facebookseiten wurde auch zu Demonstrationen gegen Präsident Achmadinedschad aufgerufen. Eingerichtet wurden diese Seiten aber von Revolutionswächtern, die auf diese Weise hunderte „Freunde“ in die Falle lockten …

Sascha Adamek, ein Toppjournalist des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens, untersucht natürlich auch, von woher das Geld hinter Facebook kommt. Denn der 26jährige Facebook-Messias Zuckerberg würde ohne entsprechende finanzielle Hilfe wohl noch heute in der Kirchenmausliga spielen. Dubiose Financiers mit Weltherrschaftsträumen, die an Pinky and the brain erinnern, finden sich da in bester Gesellschaft mit Risikokapitalgesellschaften der CIA.

Ist Sascha Adamek zu pessimistisch, wenn er meint, die Gefahr des weltweiten Datenstaubsaugers Facebook ließe sich letztlich nur dadurch ein für alle mal beseitigen, wenn man das Portal schließt? Einstweilen bliebe wohl nur der bewusste und vorsichtige Umgang mit eigenen und fremden Daten, so der Autor, um den weltweit vernetzten Überwachungsapparat zu verhindern.
Zur „Die Facebook-Falle“ meint Ihr Buchhändler abschließend: „Gefällt mir“

Mit freundlicher Empfehlung durch Lhotzkys Literaturbuffet, Taborstraße 28, 1020 Wien:

Sascha Adamek: Die Facebook-Falle. Wie das soziale Netzwerk unser Leben verkauft, Heyne, EUR 17,50.


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