Die Ausbildung im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege („Diplomierte Pflege“) dauert derzeit 3 Jahre und ist multiprofessionell sowie ganzheitlich ausgerichtet. Die Betreuung in den Krankenanstalten wird zu einem großen Teil von dieser Berufsgruppe durchgeführt. Gleichzeitig hat es das Personal mit immer älteren PatientInnen zu tun, die an komplexen Erkrankungen (Demenz, Diabetes, chronische Wunden usw.) leiden. Dies ist schon jetzt eine große berufliche Herausforderung.
Die fortschreitende Ökonomisierung des Krankenanstaltenwesens bedeutet für die Träger hohen Sparzwang. Durch Einsparungen bei der ärztlichen Betreuung übernimmt die Pflege inzwischen vermehrt medizinische Aufgaben. Bis vor Kurzem sollte sich die Pflege noch von den ärztlichen Hilfstätigkeiten emanzipieren. Davon ist nun keine Rede mehr, dafür müssen bald z.B. auch Bluttransfusionen nebenbei im stressigen Stationsalltag durchgeführt werden.
Neue Berufsbilder ersetzen die qualifizierte Pflege
Die diplomierte Pflege wird im Übergang bis 2024 nur mehr als Bachelor an Fachhochschulen ausgebildet, mit einer geringeren praktischen Ausbildung bei gleicher Dauer und mit deutlich weniger geplanten AbsolventInnen. Durch die Hintertür werden dafür zwei neue Berufsbilder eingeführt: „PflegeassistentInnen“ und „PflegefachassistentInnen“ sollen viele Tätigkeiten des gehobenen Dienstes übernehmen.
Nun gibt es die „PflegeassistentInnen“ als Pflegehelfer schon seit langem, deren Ausbildung wird mit einem Jahr gleich bleiben. Viel interessanter für die Entscheidungsträger in den Spitälern sind die neuen und kostensparenden „PflegefachassistentInnen“: Bei einer verkürzten Ausbildung von 2 Jahren (jeder Lehrberuf dauert länger!) dürfen sie komplexe Pflege durchführen, Medikamente verabreichen usw. Dies alles natürlich nur unter Anordnung und Aufsicht der diplomierten Pflege.
Der Plan: mehr billiges Hilfs-, weniger teures Fachpersonal
Verantwortliche im Krankenanstaltenverbund Wien (KAV) träumen schon von nur mehr 20% diplomierten PflegerInnen auf den Stationen, den Rest der pflegerischen Arbeit (80%) sollen die wesentlich geringer entlohnten „PflegefachassistentInnen“ übernehmen. Dadurch kommt es zu einem deutlichen Abbau des qualifizierten Personals am Krankenbett.
Eine diplomierte Pflegekraft im Dienst wird zum „Hilfsarzt“ für ca. 30-40 PatientInnen und setzt Sonden, verabreicht Infusionen, Zytostatika, Bluttransfusionen, usw. Gleichzeitig soll sie noch die Pflege der multimorbiden* PatientInnen durch die Hilfskräfte überwachen, planen, evaluieren und dokumentieren, in ihrer eigenen Verantwortung. Die Krankenhausbetreiber reiben sich die Hände, so können Personalkosten eingespart werden. Übrig bleibt die Pflege: der gehobene Dienst mit unerfüllbaren Verantwortungen und die „Fachassistenz“ mit komplexer Arbeit ohne adäquate Ausbildung. Am Meisten leiden die PatientInnen, denn am Bett stehen die Hilfskräfte.
Widerstand ist notwendig!
Ziel dieser „Reform“ ist ein weiteres Mal Kostenreduktion auf dem Rücken des Personals und der PatientInnen. In der Pflege formiert sich Widerstand, dies reicht jedoch nicht.
Nur breite Aufklärung und Solidarisierung mit den PatientInnen gegen die zukünftige Herabqualifizierung ihrer Betreuung in den Krankenhäusern kann eine Änderung bewirken. Zusammen gegen die schleichende Aushöhlung der medizinischen und pflegerischen Behandlung in den Spitälern!
Patrick Kaiser, Intensivpfleger in einem Wiener Krankenhaus
Dieser Artikel erscheint in der Zeitschrift des Gewerkschaftlichen Linksblocks (www.glb.at) „Die Arbeit“ 4/2016
* Multimorbidität - das gleichzeitige Bestehen mehrerer – oft verbundener - Krankheiten bei einer einzelnen Person. Bedingt durch das zunehmende Alter der Bevölkerung gibt es eine Zunahme. Die Betreuung, Vorsorge und Nachsorge wird immer komplexer.